Was macht eigentlich … ?

Das Altonaer Theater hat kein festangestelltes Ensemble, aber wir haben Schauspieler*innen, die immer wieder bei uns arbeiten und die mit der Zeit und durch ganz besondere Arbeiten zu „unserem Altona Ensemble“ geworden sind.

Zurzeit können Sie diese Menschen leider nicht auf unserer Bühne sehen. Umso wichtiger: was machen eigentlich … ?

 

BO LAHOLA und ULRIKE HARTMANN

Diese erzwungene Auszeit hat für uns verschiedene Facetten. Wir lernen nicht nur mit körperlichem Abstand zu Mitmenschen umzugehen, sondern tatsächlich auch einen neuen Freiraum zu schätzen, der sich aus dem Abstand zu unserer gewohnten beruflichen Routine ergibt. Finanzielle Engpässe,  Jobverluste und damit einhergehende Unsicherheiten als Freischaffende mal ausgeklammert, arbeiten wir nun vermehrt an eigenen Kunstprojekten die in unserem gewohnten Alltag keinen, oder nur zu wenig Platz finden. Zugegeben, wir vermissen den Trubel und den engen Kontakt zu Familie und guten Freunden. Trotzdem versuchen wir uns auf diese seltsame Zeit mit Gelassenheit einzulassen, und für die Zukunft vielleicht das ein- oder andere mitzunehmen. Bleibt geduldig und hoffentlich auf bald wieder im Theater!

 

Anne Schieber

ANNE SCHIEBER

Von mir aus könnt’s jetzt mal gut sein mit Corona.

Von mir aus könnt es sich verpissen auf Nimmerwiedersehen, das Virus, das mir meine Arbeit genommen hat, das mir viele meiner Freuden genommen hat, das mich ängstigt, verwirrt, erschüttert, hinterfragt, bedroht, traurig macht, verärgert und vieles mehr.

Von mir aus könnt’s jetzt mal gut sein mit Umarmungsverbot und Maskengesichtern. Mit Streaming- Kunst und Zoom- Gesprächen und Zoom- Unterricht. Mit Jogginghosenwear. Mit geschlossenen Theatern, Museen und Kinos, Cafés und Restaurants.

Von mir aus könnt’s auch mal Tagesschau Pause geben oder auch Kurven-und Statistikpause. Von mir aus genug mit: die Krise nutzen. Mit: vielleicht müssen wir uns dauerhaft von einem Großteil der Kultur verabschieden? Mit diesen und anderen quälenden Fragen, die mich nachts aufwachen lassen.

Ja, ich hab viel Neues und Schönes erfahren und entdeckt. Genossen, dass ich eine Familie hab und wir viel zusammensein konnten. Hab meine Yogapraxis vertieft, die Natur genossen in ihrer ganzen Pracht. Die Welt neu wahrgenommen. Mich entschleunigt und entstresst. Tomaten und Erdbeeren gepflanzt, auch Mangold und Ruccola. Das mach ich noch. Das alles will ich nicht missen.

Aber jetzt ist mal gut.

Ob es in diesem Jahr noch heißt: „Es ist 19.57 Uhr. Das ist das letzte Zeichen, bitte alle Schauspieler auf Position, die Vorstellung beginnt in drei Minuten? Die Türen sind zu, wir können anfangen“?

Das ist mein unverzichtbares Lebensmittel. Das kann ich nur nirgendwo kaufen.

Ich grüße alle, die sich diese Seite angucken und hoffe, dass wir uns bald wiedersehen.

Von mir aus gerne.

Anne.

ANNE SCHIEBER zuletzt am Altonaer Theater als Grete Kempowski in der KEMPOWSKI SAGA und demnächst in ALLE TOTEN FLIEGEN HOCH – AMERIKA

 

Dirk Hoener

DIRK HOENER

Was ich eigentlich mache? Mehr als in den letzten Jahren zusammen. Der Alltag wird vor allem vom sogenannten Homeschooling stark in Anspruch genommen. Da ich drei Schulkinder hier habe mit unterschiedlichen Schulklassen (der Älteste macht gerade Abitur), ist das oft ein großes Organisationsproblem. Dafür muss ich aber auch nichts Berufliches von Zuhause aus machen. All das, was ich jetzt hätte machen sollen, ist abgesagt. Und dabei ist mir aufgefallen, dass ich vor allem die Abläufe vermisse. Die Proben und alles was sonst noch so passiert. Aber es ist auch zum ersten Mal wieder Zeit, um mal wieder über dich selbst nachzudenken. Für mich kann ich nur sagen, ich werde einiges anders machen. Für manches, ist es schon zu spät, aber trotzdem kann man es versuchen. Ich werde diese Zeit deshalb als Reset nutzen. Irgendwie eine tolle Vorstellung. Und das was ich habe, ist super und ich habe mal wieder eine entspannte Draufsicht gehabt  Eine e-Mail schreiben, die über das „Was machst du?“ handelt, ist ok , aber schöner wird es beim Wiedersehen miteinander zu sprechen: Was hast du gemacht? In diesem Sinne. Hoffentlich bis bald! Grüße, Dirk

DIRK HOENER zuletzt am Altonaer Theater in WIE IM HIMMEL und LEBENSRAUM im Harburger Theater.

 

Jacques Ullrich

 JACQUES ULLRICH

Vor einiger Zeit sagte mir mal jemand – zurückblickend auf eine sehr anspruchsvolle Arbeit an einem Projekt -, es wäre ihr nicht klar, wie sie das damals nur bewältigt habe. Das wird womöglich einigen zukünftig ähnlich vorkommen. Wieder andere machen sich – gegenwärtig – Gedanken, welche Erfahrungen sich hinüberretten lassen könnten in eine Zeit, die wieder normaler abläuft irgendwann.

Die große Differenziertheit der Umstände und Befindlichkeiten unserer Lebenssituationen wird in Statistiken, wenn solche in dieser Hinsicht überhaupt zu finden sind, nur unzulänglich abzubilden sein. Also kann niemand sagen, wie viele sich ausschließlich fokussieren auf aktuelle Herausforderungen, das auch tun müssen, wie andere gut zurechtkommen, weitere leiden an der Distanz zu nahestehenden Personen etc.. Insofern erscheint es erstmal auch kaum relevant, was sich so einsenkt in unsere Psychen, so dass es in zukünftigen Gesprächen erinnert wird – wobei sich zumeist in persönlich sowie gesellschaftlich intensiveren Zeiten auch mehr dementsprechende Eindrücke einstellen. Jedoch gibt es allgemein in unserer Leben recht wenige Momente oder eingegrenzte Zeitpassagen, die besonders herausstehen und unvergessen bleiben. Welche es dann sein werden, ist keine bewusste Entscheidung, das bestimmen Vorgänge in unserer Psyche. Ein Phänomen, welches meiner Meinung nach damit in Zusammenhang steht, wird beschrieben mit diesem bemerkenswerten lateinischen Sprichwort, welches ich kürzlich las und übersetzt lautet „Wie beschaffen die Seele ist, weiß die Seele selbst nicht.“

JACQUES ULLRICH zuletzt am Altonaer Theater in SHAKESPEARE IN LOVE und beinahe zu sehen in ALLE TOTEN FLIEGEN HOCH – AMERIKA.

 

Hannelore Droege

HANNELORE DROEGE

Fremdbestimmt zu sein ist für mich eine Herausforderung, die ich ähnlich noch nicht bewältigen musste. Zumindest in meinem bewussten Erwachsenenleben. Die Kriegsverwerfungen in meiner jüngsten Kindheit sind in meiner Erinnerung gnädig verschwommen.

Und die große Freude auf der Bühne Geschichten erzählen zu dürfen, vermisse ich doch sehr. Zumal auch die Kontakte zu meinen Kindern und Enkelkindern sich auf Face-Time und Luftküsse vom Balkon beschränken. Meine kleine Podenco Hündin „Dilana“ muss meine übersprudelnde Zuneigung oder auch meine melancholischen Stimmungen ertragen.

Unser Theater geschlossen!!!!! Ein Zustand, ein Gedanke, der immer als „Horrorvision“ in die hintersten Winkel meines Kopfes verbannt wurde. Auch wenn bei der medialen Entwicklung, auch ohne Corona, sich manchmal diese grauen Möglichkeiten als vages Gefühl einschleichen. Ich hoffe sehr, dass unsere treuen Zuschauer*innen uns nicht vergessen und sobald wir wieder “auf die Bretter, die uns die Welt bedeuten“ dürfen, sich wieder von uns erheitern und unterhalten lassen, wieder mit uns weinen und lachen. In diesem Sinne grüße ich Sie sehr herzlich. Ihre  Hannelore Droege

HANNELORE DROEGE zuletzt am Altonaer Theater als Großmutter in ACH, DIESE LÜCKE, DIESE ENTSETZLICHE LÜCKE.

 

Georg Münzel

GEORG MÜNZEL

Am 13.3. (Freitag, der Dreizehnte, naja…) haben wir die zweite Hauptprobe von „Alle Toten fliegen hoch – Amerika“ gespielt und es war die merkwürdigste und gleichzeitig schönste Hauptprobe, die ich je erlebt habe. Kurz davor war unsere Premiere wegen der Corona-Pandemie abgesagt worden und wir hatten uns entschieden, die Hauptprobe trotzdem zu spielen, um einen selbstgewählten Abschluss der schönen Probenzeit zu haben und einfach, weil wir alle Lust darauf hatten. Ein paar wohlgesinnte MitarbeiterInnen des Hauses schauten zu und das Ensemble lief – ohne jeden Druck – noch mal zu Höchstform auf. Ich nahm, wie sonst in der Generalprobe, unwillkürlich Abschied von der Arbeit und befand mich in einem mir völlig neuen Zustand der gleichzeitigen Freude und Trauer. Freude über mein subjektives Empfinden des Gelingens der Produktion und Trauer über die Gewissheit, dass in absehbarer Zeit (vielleicht überhaupt?) kein Publikum diese Inszenierung sehen würde. Am Ende funktionierte ein großer Schlusseffekt des Abends zum ersten Mal reibungslos und danach kam das Ensemble wieder auf die Bühne. Die ZuschauerInnen, es waren vielleicht Zwölf, begannen zaghaft zu klatschen, Ute (Bühne) und ich wurden auch auf die Bühne gerufen und wir improvisierten eine Premieren-Applausordnung. Das große Thema der Inszenierung ist die Erinnerung und an diesen Abend werde ich mich auf jeden Fall immer erinnern. Danach saßen wir im Konversationszimmer zusammen, Kinga, die tolle Bühnenbildassistentin, hatte in weiser Voraussicht Getränke und Erdnussflips besorgt und wir feierten unsere interne gleichzeitige Premieren- und Dernierenfeier. Wieder so eine komische Gleichzeitigkeit. Irgendwann nahmen wir Abschied voneinander, natürlich mit Umarmungen. Das fühlte sich da schon etwas merkwürdig an, aber noch merkwürdiger wäre es gewesen, sich nicht zu umarmen nach sechs Wochen intensiven Zusammenseins.

Dann überschlugen sich die Ereignisse und heute, zwei Monate später, kommt es mir so naiv vor, dass wir ernsthaft gedacht haben, unsere Premiere könnte noch stattfinden. Jetzt geht es ja eher darum, wann und wie man überhaupt wieder wird Theater spielen können. Mir fehlt dafür gerade noch die Fantasie. Theater mit Sicherheitsabstand? Das klingt für mich wie ein Widerspruch in sich. Theater ist doch gerade Kontakt, Spielende und Publikum zusammen in einem Raum, einander unmittelbar erlebend, schwitzend, lachend, weinend, hustend. In der Pause die Einen ein Bier im überfüllten Foyer, die Anderen noch mal schnell nachschminken lassen. Schnelle Umzüge, Gedrängel an der Garderobe – mit 1,5m Abstand?

Klar, es ist gut, dass sich Leute Gedanken darüber machen, wie das jetzt wieder gehen könnte. Besser auf jeden Fall als gar kein Theater, oder? Und wenn es nur dafür ist, dass all die wunderbaren Menschen, die am Theater arbeiten, eben das wieder tun können: arbeiten. Ich erlaube mir mal zwei Mitarbeiterinnen vom Altonaer Theater, mit denen ich dieses Mal wieder und schon oft sehr gut zusammengearbeitet habe, hier ohne jeden Anspruch auf Gerechtigkeit herauszustellen, weil sie für wenig Geld und mit sehr viel Enthusiasmus tolle Arbeit leisten und dabei fürs Publikum völlig unsichtbar bleiben. Gaia, die Inspizientin, Schnittstelle zwischen Kunst und Technik am Abend, nicht nur äußerst professionell ausführend sondern auch kreativ mitdenkend und am Inhalt der Vorstellung orientiert. Danke. Und dazu muss man wissen, dass die Inspizientin hier ungefähr das macht, was am Staatstheater, Inspizientin, linke und rechte Seitenmeister und Requisiteurin zusammen machen. Und Jannika, Licht, kenne ich noch als Auszubildende am Haus, diesmal habe ich erstmals mit ihr das Licht gemacht und das war super. Ruhig, lösungsorientiert, kompetent, kein, „Ist das wirklich nötig?“, sondern, „Warte mal, da hab ich vielleicht noch ein Gerät in der Z-Brücke…“, wenn es darum ging, die Nase von Jacques noch besser auszuleuchten. Auch dafür: danke. So, und die und viele Andere dürfen jetzt nicht arbeiten und bekommen Kurzarbeitergeld. Besser als nichts natürlich und gut, dass es das gibt, aber 60 Prozent von wenig sind halt schon sehr wenig.

Zum Schluss noch zu mir – um mich muss sich bis jetzt niemand Sorgen machen. Meine Frau arbeitet systemrelevant und ich kümmere mich um die Home School meines Sohnes und den Haushalt. Ich kann jetzt wieder sehr gut schriftlich dividieren und weiß eine Menge über den HVV (Sachkunde), die Regeln der Zeichensetzung bei wörtlicher Rede finde ich allerdings weiterhin etwas kryptisch. Ich entdecke die meditative Qualität der Gartenarbeit und Hamburgs Ausflugsziele (Stellmoorer Tunneltal! Fischbeker Heide!!). Und ich hoffe, dass Christian Drosten und all die anderen großartigen WissenschaftlerInnen weltweit schnell einen Impfstoff entwickeln und wir dieses Scheißvirus hinter uns lassen und trotzdem danach weiterhin viel weniger fliegen, Auto fahren und sinnloses Zeug konsumieren und dafür umso mehr ins Restaurant, ins Kino, in Clubs, Museen, Bars, Konzerte und natürlich ins Theater gehen.

GEORG MÜNZEL  arbeitete zuletzt am Altonaer Theater als Regisseur von ALLE TOTEN FLIEGEN HOCH – AMERIKA.